Seit 2015 führte das Land Bremen einen Rechtsstreit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL), welcher Anfang 2025 zugunsten des Landes Bremen durch das Bundesverfassungsgericht entschieden wurde. Die DFL muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Hochrisikospielen in Form von Gebühren beteiligen. Die DFL beklagte hier einen Eingriff in die freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz. Die Richterinnen in Karlsruhe erkannten diesen Eingriff zwar an, jedoch sei die Gefahrenabwehr bei derlei Veranstaltungen ein legitimes Ziel und die Gebührenerhebung daher nicht unverhältnismäßig.
Dem vorausgegangen war eine Verschärfung des Bremer Gebühren- und Beitragsgesetzes, welches Veranstalterinnen gewinnorientierter Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmerinnen und erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen verpflichtet, die zusätzlichen Polizeikosten zu übernehmen. Als bei einem Fußballspiel des SV Werder Bremen gegen den Hamburger Sportverein in 2015 nun mehr als sechsmal so viele Polizeibeamtinnen im Einsatz waren, wie bei einem gewöhnlichen anderen Spiel Werder Bremens, stellte das Land Bremen die entstandenen Mehrkosten der DFL in Rechnung.1
Mit diesem Vorgehen des Landes Bremen wurde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Finanzierung der klassisch staatlichen Kernaufgabe „öffentliche Sicherheit“ mittels Gebühren privaten Veranstalterinnen auferlegt. Und zwar in einer Konstellation, in der diese nur mittelbar auf das zugrunde liegende Geschehen, nämlich erwartete gewalttätige Fanausschreitungen, Einfluss nehmen können Hierin liegt auch der zentrale Unterschied zu beispielsweise gebührenpflichtigen Polizeieinsätzen zur Begleitung von Schwerlasttransporten auf öffentlichen Straßen, bei denen Veranstalterinnen die Planung, Organisation und Durchführung komplett in eigener Hand haben.
Mehrere Innenministerinnen fordern nun ein entsprechendes bundesweites Heranziehen der Vereine für anfallende Polizeikosten. Dabei wirft das Vorgehen nach wie vor viele Fragen auf. Nicht geklärt und schon seit Jahren Diskussionsthema ist zum einen die Frage, wie genau und nach welchen Kriterien ein sogenanntes Hochrisikospiel definiert wird. Es obliegt allein der Einschätzung der jeweiligen Landespolizeien, die Spiele im Vorfeld zu bewerten. Die angewandten Kriterien sind hierbei nicht einheitlich zwischen den Bundesländern abgestimmt und auch eine unabhängige übergeordnete Instanz zur Bewertung der Angemessenheit geplanter Polizeimaßnahmen fehlt. Eine Beteiligung der Vereine an der Planung ist nicht vorgesehen, obwohl diese ja einerseits die Kosten tragen sollen und andererseits mit ihrer Expertise wichtige Informationen zur Lageeinschätzung beitragen könnten. Der Einsatz, wie im Falle Bremens, sechsfacher Polizeikräfte fußt also zumeist auf vagen Annahmen und lässt sich nur unzureichend oder intransparent qualitativ belegen.2
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Frage, wie weitreichend, zeitlich und örtlich, die polizeilichen Maßnahmen in direktem Zusammenhang mit dem Fußballspiel stehen und daher die Vereine in Mithaftung genommen werden können. Spielt beispielsweise der FC Bayern München an einem Samstag beim SV Werder Bremen, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass Teile der Fanszene aus München bereits am Freitag anreisen. Entscheidet die Bremer Polizei nun bereits am Freitag die Anreise der Gäste am Bremer Hauptbahnhof zu begleiten, so ist der zeitliche und räumliche Abstand zum in Rede stehenden Spiel im Bremer Weserstadion schon enorm.
Nicht zuletzt bleibt die Tatsache, dass auch jene großen Polizeiaufgebote einen Teil zu gewalttätigen Auseinandersetzungen im Rahmen von Fußballspielen beitragen können. Zwar tritt die Polizei hier nicht selbst als Aggressor auf, jedoch kommt es zu Fällen polizeilichen Fehlverhaltens vor und in Stadien, was die Gemengelage zusätzlich belastet.3 Vereine an der Finanzierung von gerichtlich festgestellt teilweise rechtswidrigen Polizeieinsätzen zu beteiligen verbietet sich allerdings ganz grundsätzlich.4
Mögliche (Teil-)Fanausschlüsse zur Reduzierung der Kosten sowie die Tatsache, dass das Land Bremen derzeit das einzige ist, welches per Gesetz die Veranstalterinnen an den Kosten beteiligt, trüben nicht nur das Stadionerlebnis als solches, sondern sorgen auch für einen wirtschaftlichen und sportlichen Wettbewerbsnachteil. Der SV Werder Bremen selbst fordert eine Beteiligung der gesamten Liga, sollten die Polizeikosten auf den gastgebenden Verein umgelegt werden.5 Das ist nachvollziehbar, bedenke man die wirtschaftliche Stärke beispielsweise der TSG 1899 Hoffenheim und deren eher unterdurchschnittlichen Zuschauerzahlen.6
Das große einende Ziel aller Beteiligter, seien es DFL und Vereine, Polizei, Politik oder auch des Großteils der Fans, ist es, dass Fußballspiele im Stadion friedlich und sicher, familienfreundlich und gewaltfrei stattfinden. Das Umlegen der Polizeikosten in einem Land auf DFL und Vereine führt hierbei nur zu Frust und nicht zur Deeskalation. Es bedarf folglich einer bundesweit geltenden Lösung im Umgang mit den Polizeikosten, die das Grundprinzip respektiert, dass öffentliche Sicherheit staatliche Kernaufgabe ist. Die Heranziehung der privaten Veranstalterinnen bzw. Vereine für Kosten, auf deren Entstehung sie höchstens indirekten, sehr begrenzten Einfluss haben, sollte kein bundesweites Modell sein.
Stattdessen gilt es, die bestehenden Stadionallianzen zu stärken und auszubauen. Vor jedem Spiel muss ein Dialog zwischen Polizei und aktiver Fanszene erfolgen, dessen Ergebnis in die Bewertung der Spiele und Planung der Polizeieinsätze eingeht. Auch die Stärkung der sozialen Arbeit in und um die aktiven Fanszenen ist ein wichtiger Faktor zur Bekämpfung von Gewalt im Fußballkontext. Die Koordinationsstelle Fanprojekte muss weiter gestärkt werden, um die wichtige Arbeit mit den Fans fortzusetzen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für eben diese Sozialarbeiterinnen sollte gesetzlich verankert werden, um wichtiges Vertrauen zwischen Fans und Fanprojekten nicht zu beschädigen oder dessen Aufbau von vornherein zu erschweren. Schließlich sollten Polizeieinsätze zielgenauer geplant werden. Nicht jede aktive Fanszene benötigt bei jedem Ligaspiel standardmäßig eine Hundertschaft zur Begleitung.
Es ist gut und richtig, dass auch die Innenministerinnen sowie Sportministerinnen das Thema „Gewalt im Stadion“ immer wieder in den Fokus nehmen und nach Lösungen suchen. Mit einer Umlage von Polizeikosten auf die Vereine werden vielleicht die Haushalte entlastet, jedoch keine Gewalt
verhindert.
- Vgl. https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-dfl-polizeikosten-bundesliga-hochrisiko-fussballspielengebuehren (abgerufen am 18.07.2025) ↩︎
- Vgl. https://www.11freunde.de/in-eigener-sache/kostenbeteiligung-der-vereine-falsches-risiko-a-94c1eb96-852a-4634-bf37-7cd29f763e8f (abgerufen am 18.07.2025) ↩︎
- Vgl. https://taz.de/Gewalt-im-Fussballstadion/!5972888/ (abgerufen am 18.07.2025) ↩︎
- Vgl. https://verwaltungsgericht-braunschweig.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/fan-kontrollen-vor-bundesligaspiel-polizei-erkennt-fehler-an-229414.html; https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/egmr-47274-15-fussball-muenchen-polizei-gewalt-fans-untersuchung (abgerufen am24.07.2025) ↩︎
- Vgl. https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/polizeikosten-streit-
hochrisikospiele-urteil-dfl-bremen-102.html (abgerufen am 18.07.2025) ↩︎ - Vgl. https://www.transfermarkt.de/bundesliga/besucherzahlen/wettbewerb/
L1/plus/?saison_id=2024 (abgerufen am 18.07.2025) ↩︎