Zum wiederholten Mal beschäftigt sich vom 03. bis 05.12. die Innenministerkonferenz (IMK) mit der Sicherheit in Fußballstadien. Entgegen dem oft vermittelten öffentlichen Eindruck ist dazu festzuhalten, dass nach den jüngsten Jahresberichten der Bundespolizei und der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) sowohl die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren als auch die der verletzten Personen rund um Fußballspiele rückläufig ist. Mit anderen Worten: Die Gewalt geht bereits jetzt zurück! Und das bei weiter steigenden Zuschauerzahlen. Vor dem Hintergrund, dass Millionen von Fans jedes Wochenende friedlich und absolut rechtskonform Fußballspiele verfolgen und die Sicherheitslage in und um Deutschlands Fußballstadien als gut bis sehr gut angesehen werden kann, gibt es für politischen Aktionismus keinen Anlass. Vielmehr gilt es, begonnene Dialoge fortzusetzen, die friedliche und vielfältige Fankultur zu stärken und bei dem gemeinsamen Ziel, schöne stimmungsvolle Stadionerlebnisse für alle zu ermöglichen, zu unterstützen.
Den Unmut vieler Fans über das jüngst bekannte gewordene Vorgehen der Innenministerinnen und -innenminister im Vorfeld der kommenden IMK können wir nachvollziehen.
Gerade die Ultragruppierungen, die viel zu häufig mit gewaltbereiten Hooligans gleichgesetzt werden, tun sich oftmals positiv dabei hervor, gegen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit und jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einzustehen. Auch die Besucherinnen auf den Tribünen freuen sich über stimmungsvolle, friedliche Choreografien aus den Kurven. Diese Fankultur gilt es zu stärken, nicht durch unzutreffende Pauschalvorwürfe und ein rein repressives Vorgehen zu drangsalieren. Die massive Einschränkung von Grundrechten und der Pauschalverdacht machen Stadien und Gesellschaft nicht sicherer.
- Keine Pflicht zu personalisierten Tickets – Dauerkartenweitergabe ermöglichen
Verpflichtende personalisierte Tickets würden die kurzfristige Weitergabe von Tickets im Freund*innen- und Familienkreis massiv erschweren. Außerdem würden, darauf haben auch Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden wiederholt hingewiesen, sie als massive Sammlung persönlicher Daten mit unklarem Verwendungszweck tief in die Datenschutzgrundrechte aller Stadionbesucherinnen eingreifen – auch und gerade bei internationalen Sportgroßereignissen in nicht autoritären Staaten. Das lehnen wir ab! - Keine Ausweitung der anlasslosen Überwachung
Auch der Einsatz – häufig höchst fehleranfälliger – KI-gestützter Videoüberwachung in Stadien und Umfeld wäre eine Ausweitung der anlasslosen Sammlung von persönlichen Daten und der Aufbau einer riesigen Bilddatenbank. Das ist ebenso abzulehnen wie der in einigen Ländern geplante Einsatz der gefährlichen Palantir-Überwachungssoftware. Fußballfans sind keine Versuchskaninchen für Überwachungsfantasien von Innenministern! - Die örtlichen Stadionverbotskommissionen erhalten
Stadionverbote müssen schon heute nach entsprechenden Überprüfungen immer wieder zurückgenommen werden. Auch mit rechtswidrigen Speicherungen in der „Datei Gewalttäter Sport“ gibt es immer wieder Probleme. Dennoch sind notwendige rechtsstaatliche Reformen, für die wir uns als Grüne immer eingesetzt haben, bisher weitgehend ausgeblieben. Für Zentralisierungen und Verschärfungen gibt es keinen Anlass. Pläne, verpflichtende Stadionverbote schon bei Einleitung von Ermittlungsverfahren einzuführen, sind mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum zu vereinbaren. Stattdessen muss sichergestellt werden, dass dann, wenn strafrechtliche Ermittlungen eingestellt werden oder Freisprüche erfolgen, auch Stadionverbote sofort aufgehoben werden. - Dialog fortsetzen – Mehr Mitsprache für Fans
Fanvertreter*innen müssen zukünftig, z.B. über eine Einbeziehung der Fanhilfen oder Fanprojekte, auf Augenhöhe in alle Diskussionen und Entscheidungen, die die Sicherheit in Stadien betreffen, einbezogen werden. Die große Mehrheit der Fans will selbst auch friedliche und sichere Stadien. Und gleichzeitig kennen sie sich dort am besten aus. Sie dürfen bei Diskussionsprozessen nicht länger ausgeschlossen oder nur symbolisch beteiligt werden. Geschieht dies nicht, gefährdet man begonnene Dialoge vollkommen ohne Not. Wir fordern die Innenministerinnen der Länder dazu auf, von den derzeit in der Diskussion befindlichen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Statt die vorliegende Empirie komplett zu ignorieren und ohnehin bestehende Gräben ohne Not weiter zu vertiefen, müssen sie eine grundrechteschonende, fakten- und evidenzbasierte Sicherheitspolitik verfolgen. Statt Vereine, Verbände und Fans zu ignorieren, fordern wir zu einer Rückkehr zum Dialog auf. - Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Mitarbeiter*innen von Fanprojekten
In letzter Zeit verstärkt sich der besorgniserregende Trend, Mitarbeiter*innen von Fanprojekten, die als Einrichtungen Sozialer Arbeit besonders sensible Arbeit leisten, zu polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen vorzuladen, um so Informationen über die jeweilige Fanszene zu erlangen. Würden die Mitarbeiter*innen hier Auskünfte geben, wäre dies das Ende des Vertrauensverhältnisses und würde ihre Arbeit unmöglich machen. Es braucht ein Zeugnisverweigerungsrecht für Soziale Arbeit in der Strafprozessordnung (StPO). - Prävention statt Repression
Die vielfach bewährten Stadionallianzen zwischen Polizei, Vereinen und Fanprojekten müssen ausgeweitet werden und ihr präventiver Ansatz gestärkt werden. Zusätzlich ist es geboten, die Fanprojekte, welche große Anerkennung innerhalb der Fanszenen finden, finanziell so zu stärken, dass diese sozialpädagogischen Einrichtungen der Jugendhilfe nachhaltig und langfristig gesichert sind.
Dr. Konstantin von Notz
Helge Limburg
Tina Winklmann
Marcel Emmerich
Dr. Ophelia Nick
Mitglieder des Deutschen Bundestages
Rasmus Andresen
Mitglied des Europäischen Parlaments
Weitere Mitzeichner*innen:
Boris Mijatović, Mitglied des Bundestages
Maximilian Deisenhofer, Mitglied des Bayerischen Landtages
Dr. Julia Höller, Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen
Valentin Lippmann, Mitglied des Sächsischen Landtages
Michael Lühmann, Mitglied des Niedersächsischen Landtages
Sebastian Striegel, Mitglied des Landtages Sachsen-Anhalt
Marc Zimmermann, Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen