Zur heutigen abschließenden Aufsetzung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts im Rechtsausschuss erklären Helge Limburg, Sprecher für Rechtspolitik, und Boris Mijatović, Sprecher für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe:
Ohne Rechenschaftspflicht kann es keine Gerechtigkeit und keinen Frieden geben. Deshalb modernisieren wir das Völkerstrafrecht. So können wir mit den Mitteln des Rechts gegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgehen.
Durch die in den letzten Jahren in Deutschland geführten Völkerstrafverfahren nimmt Deutschland bei der Verfolgung und Aufarbeitung von Völkerrechtsverbrechen eine Vorreiterrolle ein. Damit Völkerrechtsverbrechen auch zukünftig effektiv verfolgt und geahndet werden können, entwickeln wir mit diesem Gesetz das Völkerstrafrecht weiter. Wir freuen uns über die Schließung der zahlreichen Strafbarkeitslücken im Bereich der sexualisierten und reproduktiven Gewalt, bei der Verfolgung queerer Menschen und beim Verbrechen des sogenannten „Verschwindenlassens“. Besonders wichtig ist, dass zusätzlich auch ein neuer Straftatbestand des „Verschwindenlassens“ in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird und wir damit das entsprechende UN-Abkommen umsetzen. Im parlamentarischen Verfahren konnten wir noch einige Verbesserungen erreichen: So müssen Täter*innen beispielsweise nicht mehr die Absicht haben, das Opfer für eine längere Zeit verschwinden zu lassen. Außerdem erweitern wir im Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht die Umweltkriegsverbrechen auch auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte. Dafür haben wir uns intensiv eingesetzt.
Besonders freuen wir uns darüber, dass Betroffene schwerster Völkerstraftaten durch die Normierung der Nebenklage endlich das Recht auf einen rechtlichen Beistand und auf psychosoziale Prozessbegleitung haben. Im parlamentarischen Verfahren konnten wir außerdem erwirken, dass Betroffene durch Schlussvorträge selbst ihre Stimme erheben und ihre Geschichte erzählen können. Dies war uns besonders wichtig, ursprünglich sollte dieses Recht Anwält*innen vorbehalten sein.
Darüber hinaus konnten wir klarstellen, dass das Gericht ausländischen Pressevertreter*innen grundsätzlich Zugang zu einer gerichtlichen Simultanverdolmetschung – auch durch Flüsterdolmetscher*innen – gewähren soll, sofern die örtlichen Kapazitäten dies zulassen. Ergänzend dazu dürfen Zuschauer*innen vor Ort weiterhin eigene Flüsterdolmetscher*innen nutzen. Zukünftig werden zudem völkerstrafrechtliche Urteile in die englische Sprache übersetzt und veröffentlicht. Beides sind wichtige Schritte für die internationale Rezeption, sowohl im juristischen als auch medialen Kontext, auf die wir lange gedrängt haben.
Durch die Reform des Völkerstrafrechts tragen wir das historische Erbe der Nürnberger Prozesse als Geburtsstunde des Internationalen Völkerstrafrechts weiter. Denn Völkerrechtsverbrechen betreffen die internationale Gemeinschaft als Ganzes. Nur durch die rechtliche Aufarbeitung und Strafverfolgung des Unrechts mit den Mitteln des Rechts und der Justiz kann es nachhaltigen Frieden geben.