Merz muss Einladung an Netanjahu zurückziehen!

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat einen Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef Netanjahu erlassen. Deutschland hat sich mit Ratifizierung des Rom-Statuts verpflichtet, Haftbefehle des IStGH zu vollstrecken, heißt: Wenn eine Person, gegen die ein solcher Haftbefehl vorliegt, deutschen Boden betritt, muss sie umgehend festgenommen und überstellt werden.

Die Ampel-Regierung hat erst vor einem Jahr mit der Verabschiedung der Reform zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts betont, wie wichtig gerade in der aktuellen Weltlage eine Stärkung des Völkerstrafrechts ist. Deutschland hat der Weltgemeinschaft mit der Reform einmal mehr gezeigt: Wir nehmen unsere historische Verantwortung ernst, indem wir uns unermüdlich für die Weiterentwicklung und Verteidigung des Völkerrechts einsetzen.

Nun ist die Aussicht auf eine mögliche Festnahme des israelischen Regierungschefs vor dem Hintergrund der Shoa und des daraus erwachsenen besonderen Verhältnisses Deutschlands zum Staat Israel heikel. Doch anstatt dieser widerstreitenden Gemengelage mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu begegnen, lädt Friedrich Merz noch am Wahlabend Netanjahu nach Deutschland ein und sichert ihm zu, „Mittel und Wege“ zu finden, „dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist“. Und das ohne jede Not!

Merz hätte die deutsch-israelische Freundschaft ebenso gut dadurch betonen können, dass nach der Regierungsbildung eine Reise nach Israel oberste Priorität für ihn habe. Stattdessen beschädigt er schon allein durch das laute Nachdenken über eine Umgehung des Haftbefehls die Ansehung des IStGH und hofiert den autokratischen Tendenzen von Ungarns Regierungschef Orbán, der Netanjahu gerade in Budapest empfangen hat und ihm dafür die Nicht-Beachtung des Haftbefehls zugesichert hatte.

Es wäre ein fatales Zeichen, wenn die neue Regierung Deutschlands als eine der ersten Amtshandlungen sehenden Auges Völkerrecht bricht. Die Stärke des Völkerstrafrechts besteht gerade darin, dass ein politisches Ermessen an keiner Stelle vorgesehen ist. Merz sollte deshalb sein politisches Ermessen dort zur Anwendung bringen, wo es hingehört, nämlich in der Entscheidung, die Einladung Netanjahus sofort zurückziehen.