Gedenktag an die Kriegsverbrechen in Bucha

Die kleine ukrainische Stadt Bucha bei Kiew war nur knapp einen Monat von der russischen Armee besetzt. Am 1.4. vor einem Jahr wurde die Stadt wieder befreit. Ein Monat in dem zahllose Kriegsverbrechen durch die russische Besatzungsarmee verübt wurden. Die UNO dokumentiert mindestens 73 Tötungen von Zivilisten und 105 weitere Verdachtsfälle. Die Ukrainische Justiz hat mindestens 419 Leichen dokumentiert, die Spuren eines gewaltsamen Todes oder von Folter aufwiesen. 419 Zivilisten. In einem Monat.

419 Tote in einem Monat. Das ist die grausame Realität der russischen Besatzung. Und darum erfüllt die ukrainische Regierung und die ukrainische Armee ihren Schutzauftrag für die eigene Bevölkerung, wenn sie nicht locker lassen mit dem Ziel, das gesamte Gebiet der Ukraine zu befreien.

Es gibt immer wieder Rufe nach einem Waffenstillstand. Bucha zeigt, was Waffenstillstand unter russischer Besatzung bedeutet – nämlich Mord, sexualisierte Gewalt, Plünderungen von allem, was irgendwie als Beute abtransportiert werden kann, das Verschleppen von Kinder nach Russland.

Ja, es muss einen Waffenstillstand, Verhandlungen und Frieden geben. Aber es muss ein Waffenstillstand sein, der den Schutz der Zivilbevölkerung einschließt. Wir liefern keine Waffen an die ukrainische Armee, weil wir kriegsbegeistert sind. Krieg ist schrecklich. Immer. Aber wenn es einen gerechten Krieg gibt, dann ist es der Abwehrkampf der ukrainischen Armee gegen Russland, um weitere Buchas zu verhindern. Und wir müssen die Ukraine dabei weiter unterstützen.

Die Ukraine strebt nicht nach Rache. Sie strebt nach Gerechtigkeit. Die Strafverfahren gegen russische Soldaten, die an den Kriegsverbrechen in Bucha beteiligt waren, waren nach allem was wir wissen, faire Gerichtsverfahren nach rechtsstaatlichen Standards mitten im Krieg. Das ist bemerkenswert und es zeigt den großen Willen der Ukraine, ein demokratischer Rechtsstaat mitten in Europa zu bleiben. Wir sollten sie dabei weiter unterstützen.

Kriegsverbrechen können auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof geahndet werden. Der Weg dahin hat die Ukraine eröffnet, indem sie bereits 2014 die Gerichtsbarkeit des IStGH für ihr Territorium anerkannt hat. Das ist gut. Noch besser wäre es, wenn die Ukraine den Vollbeitritt zum Romstatut erklären würde, denn das würde erneut unterstreichen, dass die Ukraine den Weg des internationalen Rechts gehen will.

Aber wichtig ist auch zu betonen, dass die Taten in Bucha, Irpin, Mariupol und anderswo sind nicht erst seit dem Romstatut strafbar. Sie verstoßen bereits gegen die älteste Regel, die wir im Romstatut haben – gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907. Auch diese, über hundert Jahre alten Regeln des humanitären Völkerrechts werden von der russischen Armee mit Stiefeln getreten.

Der jüngste Haftbefehl gegen Putin und seine Kinderbeauftragte, de facto Russlands oberste Kinderhändler, war ein wichtiges Symbol. Er kann aber mehr werden. Erinnern wir uns an Ratko Mladic, Radovan Karadzic, Slobodan Milosevic: Als Haftbefehle gegen sie ausgestellt wurden, war nicht absehbar, dass sie sich jemals einem Gericht würden stellen müssen. Aber bekanntlich mussten sie sich alle für ihre Taten vor Gericht verantworten – die Justiz hat einen langen Atem und Kriegsverbrechen verjähren nicht!

Kriegsverbrechen geschehen nicht einfach. Sie passieren nicht. Sie werden begangen, von Menschen, von Soldaten, aus eigenem Antrieb verübt oder angeordnet durch Offiziere. Und durch den Entschluss, diese Anordnungen zu geben oder auszuführen werden Offiziere und jeder beteiligter Soldat zu Verbrechern. Zu Kriegsverbrechern. Und keiner von ihnen darf sich in Sicherheit wiegen, jeder muss damit rechnen, eines Tages für seine Taten zur Verantwortung gezogen zu werden. Das ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und der internationalen Justiz.  

Auch wir in Deutschland sollten unseren Anteil leisten. Es ist gut, dass der Generalbundesanwalt so umfangreiche Ermittlungen eingeleitet hat. Es ist gut, dass der Justizminister dafür sorgt, dass Urteile nach dem VStGB in Deutschland zukünftig regelmäßig mindestens in Englische übersetzt werden, damit sie der internationalen Strafverfolgung und der Zivilgesellschaft vor Ort dienen können. Und es ist gut, dass wir eine Debatte über Reformen des VStGB gestartet haben. Dabei ist wichtig, dass wir die Rechte der Nebenklage stärken. Opfer von Verbrechen wie in Bucha müssen vor Deutschen Gerichten im Falle von Verfahren eine starke Stimme haben. Sexualisierte Gewalt muss angemessen bestraft werden als das, was sie ist: Eine systematische Kriegswaffe. Und Verschwindenlassen, wie es das Besatzungsregime z.B. in Donezk seit Jahren begeht, sollte strafbar sein ohne dass die Menschen gezwungen sind, bei den verbrecherischen Pseudobehörden nachzufragen wo ihr Angehöriger ist. Wir sollten unser VStGB an die Herausforderungen anpassen und den Anforderungen, die auch die schrecklichen Verbrechen von Bucha an uns stellen, gerecht werden.

Es ist bitter, dass es nicht gelungen ist, die Menschen in Bucha vor diesen Verbrechen zu bewahren. Nun müssen wir alles tun, um sie zu ahnden. Und um weitere Buchas zu verhindern. Vielen Dank.

Meine gestrige Rede zu den Kriegsverbrechen, die von der russischen Armee in Butscha begangen wurden, kann unter: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7552129#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk=&mod=mod536668 angesehen werden.

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